Raveline Magazine Germany
01.12.1998


Lenny Dee

Lenny Dee
Er kommt aus New York. Mit Industrial Strength leitet er die mächtigste Hardcore-Bastion der USA. In den frühen Tagen von House und Techno hat er viel mit Frankie Bones zusammengearbeitet, darunter viele illustre Coproduktionen und Mixe, die man heute kaum mit dem wilden Lenny in Verbindung bringen würde. Zu den härteren Sounds führte ihn interessanterweise Marc Arcadipane von PCP: "Seine Musik war für mich der Auslöser, auch Hardcore zu produzieren!" Und so gründete Lenny 1992 sein neues Label Industrial Strength, das er inzwischen mit diversen Unterabteilungen zu einem engmaschigen Netzwerk ausgebaut hat.

Ende Oktober weilte der Großmeister des Hardcore - Ähnlichkeiten mit dem "Tier", dem wilden Trommler aus der Muppets Show, sind weder beabsichtigt noch rein zufällig - mal wieder in Deutschland. ID&T, die Hardcore-Großmacht der Republik, hatte zur Global Hardcore Nation in das Bochumer Tarm Center geladen. Für Raveline natürlich eine gute Gelegenheit, den wilden New Yorker zum Interview zu bitten.

Raveline: Was denkst du über das Oldschool-Revival der vergangenen zwei Jahre und den momentanen Newschool-Hardcore?

Lenny Dee: Ich habe immer das gleiche Gefühl. Ich schaue zurück auf die Platten, die Anfang der 90er aktuell waren, nicht auf die von vor zwei Jahren. Damals war dieses Gefühl dabei und nun diese Revival-Sache: Es sind die gleichen Sounds, das Tempo ist langsamer. Es ist als ob man die gleiche Machart anwendet. Aber das ist nicht so wichtig wie das Gefühl, das die Platten damals vermittelten. Nun, die Leute schauen sich die alten Platten an, schneiden alles raus und machen daraus eine Coverversion und noch eine und noch eine. Aber es geht eben um das Gefühl, das mit den Platten erreicht wurde, nicht um einen bestimmten Sound! Ich versuche dieses Gefühl in meinen DJ-Sets zu vermitteln, aber mit vielen Platten gelingt dies nicht wirklich. Es ist wie bei einem Gemälde: Du kannst tausende von Kopien kaufen, wie hier die Bilder im Hotel, oder du kannst das Original kaufen. Nur das hat das besondere Gefühl. Und es ist der Künstler, der diesem Bild das Gefühl einhaucht und dies in all seinen Arbeiten zum Ausdruck bringt. Das ist die schwierige Arbeit, die Platten mit Gefühl zu finden. I don´t know school, no school!

Raveline: Dir gefallen offensichtlich verschiedene Hardcore-Styles. Du hast ja auch schon Remixes von Metal-Songs gemacht, wie King of the Rotten. Welchen Style bevorzugst du wirklich, und was hältst du von extremem Speedcore, wie er z. B. von Berzerker produziert wird?

Lenny Dee: Berzerker mag ich wirklich, weil er die Stile kreuzt, so auch bei seinem Release auf Bastard Loud. Punk trifft auf eine Art Throat und diese treffen auf Bassdrum-Sounds, ein bißchen ravig, eine sehr gute Kombination. Speedcore gefällt mir sehr gut, aber ich denke, daß in letzter Zeit die Qualität der Platten nachläßt, manchmal sind sie einfach zu schnell. Deshalb lege ich sie nicht mehr so gerne auf, denn ich will eher mein eigenes Ding machen. Ich will mit allen anderen Stilen arbeiten. Was Hardcore betrifft, so will ich eine Mixtur aus allem hören.

Raveline: Wie sieht es mit der Hardcore-Szene in deiner Heimat aus?

Lenny Dee: Zum Auflegen ist L.A. derzeit wirklich cool. Sylvester werde ich in der Wüste in Arizona auflegen, zusammen mit Manu Le Malin, Torgull und einigen Leuten von Industrial Strength - ich denke, auch DJ Tron wird kommen. In New York gibt es momentan eine wirklich gute, harte, arschkickende Trance-Szene. Ob ihr es glaubt oder nicht, ich gehe auf diese Parties und genieße es wirklich. Es ist aber nicht zu vergleichen mit dem Trance in Europa. Die Sounds sind von Israelis und aus anderen fremden Ländern. Aber auch die Hardcore-Szene in New York ist ziemlich cool. Auf meiner Geburstagsfeier neulich legten Marc, Manu und andere Freunde von mir auf, es war eine richtig gute Party. Ich denke, die Kids sind da, sie brauchen nur die richtigen Parties. Es gab in New York kürzlich Techno-Parties, da kamen 9000 Leute, und auf der ID&T-Party in Californien waren 7000 Leute. Ich lege zur Zeit auch manchmal in Chicago und Minneapolis auf. Amerika ist ein großes Land, da passieren die Dinge halt an vielen verschiedenen Orten. In New York gibt es zwar einige Clubs, aber die spielen eher Techno und Drum ´n´ Bass. Wir haben überhaupt eine gute Drum&Bass-Szene in den USA, und so werde ich Panaceas neues Album in den USA releasen. Es ist deutscher Breakcore, der einem den Arsch versohlt, hahaha. Es wird cool werden.

Raveline: Die Rombold-Brüder (Industrial Terror Squad) sind bis jetzt die einzigen Deutschen, die auf Industrial Strength veröffentlicht haben. Was muß ein Track haben, damit er eine Chance hat, auf Industrial Strength zu erscheinen?

Lenny Dee: Das liegt ganz an der Musik! Für Danny und Collin war es eines der ersten Releases, mit Marc von PCP war es das gleiche, mit Panacea ebenfalls. Okay, sie haben großartige Platten gemacht, aber deswegen sind sie ja nun keine Superstars; auch ich bin kein Superstar. Die Leute schicken mir Tapes und ich höre sie mir an. Wenn sie richtig gut sind, rufe ich zurück. Ich habe aber oft wenig Zeit, und manche Tapes haben es einfach nicht verdient. Das Techno -Business ist echt eine Qual, und ich versuche momentan meine Company als Ganzes zu reorganisieren. Das ist mühsam: Distribution, Vermarktung, man muß dem Geld nachlaufen - ich bin schon ein fucking Businessman. Aber ich werde wohl etwas kürzer treten und mich wieder mehr der Musik widmen. Nächstes Jahr werde ich statt Singles mehr Alben herausbringen, um die Artists zu entwickeln. Es muß doch möglich sein, daß einer dieser Jungs zwölf gute Tracks produziert. Der Artist sollte wichtiger sein als der Markenname der Company. Diese Compilations sind gesichtslos, und ich denke, Alben werden die Zukunft des Hardcores sein, denn der Artist hat auf einem Album wesentlich mehr Freiheiten.

Raveline: Wie gut kennst du die deutsche Hardcore-Szene?

Lenny Dee: Ich mag den deutschen Sound, vor allem PCP - PCP ist ein Teil von mir. Der Nordcore-Sound ist cool, ein bißchen "dirty", haha. Gabba Nation ist auch cool, auch ein bißchen schmutzig, aber ich mag es. Tja, und fucking Speedfreak natürlich!

Raveline: Was bedeutet die holländische Gabber-Szene für Industrial Strength? Hast du Ruff Beats und die Hardcore Warriors, DJ Jappo und Lancinhouse speziell für Holland eingeführt?

Lenny Dee: Ich wünschte, ich könnte einen größeren Teil des holländischen Marktes erobern, aber sie werden mich nicht lassen.... Du hast recht, ich habe Ruff Beats extra für den Holland-Markt an den Start gebracht. Aber ich verkaufe nicht viel. Wirklich! Es ist, als führte man Pepsi gegen Coca Cola ins Feld. Man gibt den Leuten keine wirkliche Auswahlmöglichkeit, das ist es, was es so schwierig macht. Die Hardcore-Warriors habe ich kennengelernt, als ich öfter in Italien auflegte. Die meisten Platten sind Jappo-Platten, die sind hart, rein, die perfektesten, die ich kriegen kann. Und ich versuche diesen Sound in Holland zu etablieren.

Raveline: Industrial Strength hat zahlreiche Sublabels. Ruff Beats ist mehr auf Europa und Holland ausgerichtet, Bastard Loud ist für die, die es härter und schneller mögen, und IST ist das Techno- und Trance-Label. IST fällt ein wenig aus dem Rahmen, wie kam es dazu?

Lenny Dee: Auf IST haben Mechanism, Manga Corps, sogar Cyberia und Manu le Malin veröffentlicht. Ich mag dieses Label wirklich. Ich selbst habe nie eine Platte für IST gemacht, für mich ist es aber dennoch ein ganz spezielles Label. Ich startete es anderthalb Jahre nach Industrial Strength, aber es ist mehr ein Teil von Industrial Strength als all die anderen Sublabels. Ich fing damit an, weil ich das Gefühl hatte, daß es einen Weg geben mußte, auch andere interessante Musik zu releasen. Man kann nicht sagen, daß IST in irgendeiner Weise kommerziell ist. IST steht auch nicht für Industrial Strength Trance. Als ich die drei Buchstaben zusammensetzte, war ich ziemlich stoned. Ich hatte also einen Namen, ein Logo, die Tracks, die Idee, und so gründete ich IST. Es bedeutet auch nicht Industrial Strength Techno, es könnte ebenso Sex Trance heißen, man kann es nennen wie man will. Ich habe nie weiter darüber nachgedacht. Aber ich denke, es ist eine Zukunft für mich. Einige der Sounds sind denen auf Industrial Strength auch gar nicht mal unähnlich.

Raveline: Industrial Strength war immer führend in der Hardcore-Szene, auch wenn die Styles sich über die Jahre verändert haben. Wie wird die Zukunft aussehen?

Lenny Dee: Porno, Porno, Porno-Sex-Sounds! Hahahah. Nein, ich habe ein Album namens "Dead Man" gesigned, eine full-length-CD, und die wird richtig hammer-arschkickend sein. Nächstes Jahr wird ein neues Delta 9-Album erscheinen und es wird eine weitere Industrial Fuckin´ Strength-Compi geben. Ich produziere auch ein paar Videos, das wird sehr interessant. Panacea startet ein neues Label, das die Darkside von Drum&Bass und Techstep präsentieren wird, aber nur für die USA. Einige Platten werden zwar in den Export nach Europa kommen, aber ich will mich wirklich eher auf meine Heimat konzentrieren. Die Nummer 50 von Industrial Strength wird auch erscheinen, als Doppelpack, da wird wahrscheinlich auch etwas von Marc drauf sein. Manu le Malin wird mit einem Album kommen, einer Mix-CD. Überhaupt werde ich in Zukunft mehr auf CD machen. Ich will mehr Alben und Singles auf CD machen. Außerdem ist für nächstes Jahr noch ein Release von DJ Tieum auf IST geplant. Außerdem werde ich Mitte nächstes Jahr ein neues Label namens "High Density" starten, aber eher mit Techno-Stuff. Ruff Beats werde ich wohl aufgeben, das hat keine Zukunft mehr. Und Bastard Loud werde ich etwas "down-slowen". Ich werde mir verstärkt Tracks heraussuchen, die etwas bedeuten; so wird es natürlich schwieriger werden, Stuff zu finden. Außerdem werde ich versuchen, etwas von Industrial Terror Squad zu releasen, um die Boys damit zu entwickeln.

Raveline: Deine Message an die Hardcore-Freaks da draußen für das nächste Jahrtausend?

Sanguinary bros.